Kay Sage

Wer war Kay Sage?

Kay Sage (Albany 25.6.1898–8.1.1963 Woodbury) war eine US-amerikanische Künstlerin und Schriftstellerin des Surrealismus. Sie war in zweiter Ehe mit dem französischen Maler Yves Tanguy verheiratet. Bekannt wurde Kay Sage für Gemälde mit surrealen Architekturen. Sage schuf den Großteil ihrer reifen Arbeiten zwischen 1940, als sie Tanguy heiratete, und 1955, als er plötzlich an einer Gehirnblutung starb.

Kindheit

Kay Sage wurde als Katherine Linn Sage am 25. Juni 1898 in Albany, New York (USA), geboren. Als zweite Tochter von Henry Manning Sage und seiner Frau Ann Wheeler (Ward) Sage geboren, ist Sage das Kind einer wohlhabenden New Yorker Senatorenfamilie, die in der Holzindustrie zu Reichtum gekommen war. Sage hatte eine ältere Schwester, Anne Erskine Sage.

Anne Wheeler Ward Sage verließ ihren Mann und ihre ältere Tochter kurz nach Kays Geburt, um mit Kay durch Europa zu reisen. Sie und Henry Sage ließen sich 1908 scheiden, aber Henry Sage unterstützte weiterhin seine Ex-Frau und seine jüngere Tochter. Kay besuchte ihn und seine neue Frau gelegentlich in Albany und schrieb ihm häufig Briefe.

Kay und ihre Mutter lebten in Rapallo, Italien, besuchten aber auch viele andere Orte, darunter Paris. Katherine sprach fließend Französisch und Italienisch – allerdings in einer umgangssprachlichen Version, die sie von den Bediensteten lernte. Sie besuchte eine Reihe von Schulen, darunter die Foxcroft School in Virginia, wo sie eine lebenslange Freundin der Erbin Flora Payne Whitney wurde. Als Kind waren Zeichnen und Schreiben ihre Hobbys.

Ausbildung

Kay Sage besuchte Kurse an der privaten Hochschule Corcoran College of Art and Design in Washington, D. C., (1919–1920) und arbeitete anschließend in einem Büro in New York.

Anfang 1920 zog Kay Sage nach Rapallo in Italien, um Kunst in Rom an der British Academy und der Scuola liberale delle Belle Arti Malerei zu studieren. Dort lernte sie konventionelle Techniken und Stile. Besonders gern malte Sage im Freien in der römischen Campagna mit dem Lehrer Oronato Carlandi und ihren Kommilitonen. Viel später erklärte Sage, dass „das die glücklichsten Tage meines Lebens waren“ und sie erzählte 1961 ihrem Freund und Galeristen Julien Levy, dass ihr Campagna-Erlebnis ihre „perspektivische Vorstellung von Distanz und Weggehen“ geprägt habe. Dennoch behauptete Sage in späteren Jahren meist, sie sei Autodidaktin gewesen, vielleicht weil das meiste, was sie in Rom gelernt hatte, so wenig mit ihrer Art der Malerei zu tun hatte.

Um 1923 lernte sie Prinz Ranieri Bourbon del Monte Santa Maria di San Faustino kennen und heiratete ihn im folgenden Jahr (30.3.1925). Als Prinzessin von San Faustino war ihre Schwägerin Donna Virginia Bourbon del Monte, der Frau des Industriellen Edoardo Agnelli. Nach zehn gemeinsamen Jahren gab sie ihr mondänes Leben auf, um sich ganz der Kunst zu widmen. Möglicherweise waren der Tod ihres Vaters (1933) und ihrer Schwester an Tuberkulose (1934) – Anne war in den 1920er Jahren zu Kay und ihrer Mutter nach Italien gekommen, und die Schwestern kamen sich während Annes letzter Krankheit ziemlich nahe – der Auslöser, dass Kay Sage ihren Lebensstil und ihre Ehe hinter sich ließ. Sie wollte sich ein unabhängiges Leben als Künstlerin aufbauen. Einige Jahre später erreichten sie die päpstliche Annullierung ihrer Ehe.

Werke

Im Dezember 1936, als sie sich darauf vorbereitete, Italien zu verlassen und nach Paris zu ziehen, hatte Sage ihre erste Einzelausstellung. Sie präsentierte sechs Ölgemälde in der Galleria del Milione in Mailand. Es handelte sich noch um experimentelle abstrakte Kompositionen.1

Kay Sage und der Surrealimus

Kay Sage übersiedelte im März 1937 nach Paris, wo sie eine luxuriöse Wohnung mietete. Im Januar 1938 besuchte sie die „Exposition Internationale du Surréalisme“ in Georges Wildensteins „Galerie des Beaux-Arts“ in Paris, wo sie besonders vom Werk Giorgio de Chirico|s beeindruckt war. Insgesammt versammelte die Schau 299 Werke von 60 Künstler:innen aus 14 Ländern. Sage kaufte eines davon de Chiricos Gemälde, „La Surprise“, und behielt es ihr ganzes Leben lang. Mehr als von der Malweise ihres späteren Mannes war Kay Sage in ihren frühen surrealistischen Gemälden von de Chiricos isolierten Formen und den illusionistischen Perspektiven geprägt. Mit ihrer auffälligen Monumentalisierung weisen sie auf eine eigene, sehr konstruktive Bildsprache voraus, bei der sich die Magie ausschließlich aus den Gegenständen selbst entfaltet.

Diese Auseinandersetzung mit dem Surrealismus inspirierte Sage dazu, sich ernsthaft der Malerei zu widmen. Sechs Werke wurden im Herbst 1938 im „Salon des surindépendants“ an der Porte de Versailles gezeigt, darunter „Afterwards“ und „The World Is Blue“. Diese halbabstrakten Gemälde entlehnten Motive und Stile von de Chirico und den Surrealisten, zeigten aber Hinweise auf Sages eigene zukünftige Arbeit. Damit weckte sie das Interesse der Surrealist:innen an ihrer Arbeit. Sie traf, so die Erinnerung des griechischen Dichters Nicolas Calas, im Rahmen der Ausstellung André Breton und Yves Tanguy. Breton soll sich sicher gewesen sein, dass diese Bilder von einem Mann ausgeführt worden sein mussten, daraufhin besuchten sie die Künstlerin in ihrem Atelier. Obwohl Tanguy seit 1927 (unglücklich) mit Jeannette Tanguy (1896–1977) verheiratet aber bereits getrennt war, fing Kay Sage mit ihm eine Partnerschaft an; diese sollte lebenslang währen.

Sage, der es immer noch finanziell gut ging, war großzügig mit ihrem Geld und die Gruppe der verarmten Surrealisten brauchte dringend wirtschaftliche Unterstützung. Einige ärgerten sich auch über ihren Reichtum und unterstellten ihr eine hochmütige Haltung, die nur allzu gut zu ihrem früheren Titel „Prinzessin“ passte. Ihre Beziehung mit Tanguy führte zu einer Kluft zwischen Tanguy und Breton, die davor enge Freunde gewesen waren. Dennoch bezeichnete sich Kay Sage weiterhin als Surrealistin.

Zweiter Weltkrieg

Im September 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht in Polen ein und löste damit den Zweiten Weltkrieg aus. Einen Monat später segelte Kay Sage zurück in die Vereinigten Staaten. Sie schmiedete sofort Pläne, um auch den Surrealist:innen bei der Emigration und der Aufnahme in den USA durch Kunstausstellungen zu helfen – angefangen bei Tanguy, der sich ihr im November in New York City anschloss. Kay Sage arrangierte für Tanguy eine Einzelausstellung in der New Yorker Galerie von Pierre Matisse, dem Sohn des berühmten Malers Henri Matisse, bereits einen Monat nach seiner Ankunft. Sage hatte im Juni 1940 in derselben Galerie ihre eigene Einzelausstellung, ihre erste in den Vereinigten Staaten. Sage und Tanguy heirateten am 17. August 1940 in Reno, Nevada, nachdem er sich von seiner ersten Ehefrau hat scheiden lassen.

Im Januar 1943 stellte Kay Sage in der „Exhibition by 31 Women“ in Peggy Guggenheims Galerie “Art of This Century” aus. Weiters waren Gemälde von Leonora Carrington, Alice Rahon, Leonor Fini, Valentine Hugo, Jacqueline Lamba, Meret Oppenheim, Frida Kahlo, Dorothea Tanning und Sophie Taeuber-Arp zu sehen.

Nachkriegszeit

„In the Third Sleep“ gewann im Oktober 1945 den Watson F. Blair Purchase Prize des Art Institute of Chicago, Sages erste große öffentliche Anerkennung.

Town Farm: Sage und Tanguys Beziehung

Im Jahr 1946 kauften Kay Sage und Yves Tanguy eine Farm in Woodbury, Connecticut, die sie „Town Farm“ tauften. Ihr großes Haus war mit zahlreichen surrealistischen Kunstwerken und einer Vielzahl ungewöhnlicher Gegenstände geschmückt, darunter ein ausgestopfter Rabe in einem Käfig und eine Maske der Inuit. Die Scheune bauten sie zu einem Atelier um, wobei eine Trennwand mit Tür die beiden Bereiche für sie und ihn trennte. „Town Farm“ wurde zum Treffpunkt vieler exilierter französischer Künstler:innen und Vertreter:innen der amerikanischen Avantgarde wie der Bildhauer Alexander Calder.

Dennoch hatte das Paar nicht viele Freunde, wurde Kay Sage doch als „herrisch, abweisend, launisch, schnell wütend, distanziert, privat, einsam, widersprüchlich und unnahbar“2 beschrieben. Obwohl Tanguy freundlicher war, wurde er für sein betrunkenes Verhalten berüchtigt. Dazu gehörte, dass er bei einer Versammlung die Köpfe anderer Männer packte und sie wiederholt hart gegen seinen eigenen schlug.
Auf denselben Partys, bei denen er seinen Kopf gegen die anderer Männer schlug, griff Tanguy Sage verbal und manchmal sogar körperlich an, schubste sie und bedrohte sie gelegentlich mit einem Messer. Berichten von Freund:innen zufolge reagierte Sage nicht auf die Aggression ihres Mannes, sondern versuchte, ihn zu überreden, nach Hause zu gehen. Freunde berichteten auch, dass Tanguy Sages Gemälde nicht mochte und eifersüchtig auf den Ruhm war, der ihr zuteilwurde.

Späte Werke und nationaler Durchbruch

Sages Arbeit erhält in den nächsten Jahren allgemeine Anerkennung, obwohl es ihr schwer fiel, aus dem Schatten des bekannteren Tanguy herauszutreten. Ihre Arbeiten wurden regelmäßig in nationalen Ausstellungen gezeigt, gewannen Preise und wurden an große Kunstmuseen verkauft. 1947 stellt sie in „Le Surréalisme en 1947“ in der Pariser Galerie Maeght aus; zudem hatte sie mehrere Einzelausstellungen in den Galerien von Julien Levy und ab 1950 von Catherine Viviano in New York.

Kay Sage äußerte sich fast nie dazu, was ihre Bilder darstellten oder wie ihre scheinbar bedrohliche Stimmung interpretiert werden sollte. Eine Ausnahme bildete ihre Aussage gegenüber einem Kritiker des „Time-Magazins“, dass „The Instant“, zu sehen 1950 in ihrer Ausstellung in der Galerie Catherine Viviano, „eine Art Darstellung dessen war, was sich darin befindet – Dinge, die halb mechanisch, halb lebendig sind“3.

Im Jahr 1951 gewann „All Soundings Are Referred to High Water“ den ersten Preis in Öl auf der „Eastern States Exposition of Connecticut Contemporary Art“, und „Nests of Lightning“ erhielt die erste lobende Erwähnung in der „22. Corcoran Biennial Exhibition of Contemporary American Painting“. Zwischen August und September 1954 hatten Tanguy und Sage eine gemeinsame Ausstellung im Wadsworth Atheneum.

Kay Sage malte und dichtete bis in die 1950er Jahre hinein. Im Jahr 1955 starb Yves Tanguy an einer Gehirnblutung. Der Tod ihres Mannes traf Kate Sage tief und stürzte sie in Depressionen. Ihre Sehkraft verschlechterte sich, sie gab die Malerei auf und schuf Collagen.

Mit der Hilfe ihres langjährigen Freundes Marcel Duhamel – und ihren eigenen Zuschüssen zur Deckung des Großteils der Druckkosten – sorgte Sage dafür, dass im Juni 1957 ein Buch mit Tangyus Gedichten, „Demain, Monsieur Silber“, in Frankreich veröffentlicht wurde. Um 1955 schrieb sie auch eine teilweise Autobiografie, „China Eggs“, die ihr Leben bis etwa zu der Zeit, als sie San Faustino verließ, abdeckte, aber sie versuchte nie, sie zu veröffentlichen.

Danach widmete sich dem „Catalogue de l'œuvre raisonnée“ von Yves Tanguy. Eines der Hauptwerke in einer Ausstellung von 13 Gemälden Sages in der Viviano Gallery im November 1958 hieß „The Answer Is No“. Dies scheint Sages eigenen Geisteszustand widergespiegelt zu haben. Im Dezember 1958 reichte sie in Waterbury ihr Testament ein und am 28. und 29. April 1959, wenige Wochen nachdem sie einen umfangreichen Katalog von Tanguys Gemälden fertiggestellt hatte, versuchte sie, ihrem Leben mit einer Überdosis Schlaftabletten ein Ende zu setzen. Eine Haushälterin fand sie jedoch und wurde Kay Sage wiederbelebt.

In den Jahren 1959 und 1960 unterzog sich Kay Sage mehreren Operationen zur Entfernung ihres Grauen Stars, die sie zuvor abgelehnt hatte. Leider waren die Eingriffe schmerzhaft und hatten nur begrenzten Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt litt die Künstlerin auch unter anderen gesundheitlichen Problemen, darunter einige, die möglicherweise auf ihr jahrelanges starkes Rauchen und Trinken zurückzuführen waren. In den Jahren 1960 und 1961 schuf sie als Ersatz für die Malerei kleine Skulpturen aus Draht, Steinen, Kugeln und anderen ungewöhnlichen Materialien. Catherine Viviano veranstaltete im November 1961 eine Ausstellung dieser Objekte mit dem Titel „Your Move“ sowie im April 1960 eine große Retrospektive von Sages Gemälden.

„Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen habe. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu schreien.“4 (Kay Sage, Tagebucheintrag vom August 1961)

Bücher

Zusätzlich zu ihrer Autobiografie „China Eggs“ und vier surrealistischen Einaktern schrieb Kay Sage mehrere Gedichtbände, drei auf Französisch, einen auf Englisch und einen auf Italienisch. Es gibt auch mehr als 200 unveröffentlichte Gedichte in den Archives of American Art (Flora Whitney Miller Papers) und 60 bislang unveröffentlichte Gedichte in den Stephen Robeson Miller Research Papers. Ihr Stil ist umgangssprachlich, ihr Witz scharf und oft gegen sich selbst gerichtet. Bei vielen Gedichten handelt es sich um Dialoge, vielleicht um imaginäre Gespräche mit Tanguy (mit dem sie dasselbe Straßenfranzösisch sprach, das sie in den Gedichten verwendete) oder vielleicht um Diskussionen zwischen verschiedenen Teilen ihrer selbst.

  • Piove in giardino (1937)
  • Demain, Monsieur Silber (1957)
  • The More I Wonder (1957, wahrscheinlich eine englische Übersetzung von Demain, Monsieur Silber)
  • Faut dire c'qui est (1959)
  • Mordicus (1962)

Tod

Am 8. Januar 1963, kurz vor Veröffentlichung des Werkkatalogs Tanguys, schoss sich Kay Sage eine tödliche Kugel ins Herz. Die Asche von Yves Tanguy und Kay Sage wurde, ihrem letzten Willen zufolge, von Pierre Matisse in der Bucht von Douarnenez, Bretagne, verstreut.

Kay Sages Nachlass wird von den Smithsonians Archives of American Art verwahrt.

Ihr Werk ist hauptsächlich in US-amerikanischen Museen zu finden, so im Museum of Modern Art, Art Institute of Chicago, Walker Art Center, im Mattatuck Museum in Connecticut und National Museum of Women in the Arts in Washington D. C..

Literatur zu Kay Sage

  • Mark Kelman und Hollis Taggart (Hg.), Kay Sage. Catalogue raisonné, München/New York 2018.
  • Double Solitaire. The Surreal Worlds of Kay Sage and Yves Tanguy, hg. von Stephen Robeson Miller (Ausst.-Kat. Katonah Museum of Art; Mint Museum, Charlotte, Katonah), Charlotte 2011.
  • Judith D. Suther, A House of Her Own. Kay Sage, Solitary Surrealist, Lincoln 1997.
  1. Judith Suther, In A House of Her Own, 1997.
  2. Suther, S. 125.
  3. Time, 13. März 1950, zitiert nach Suther, S. 134.
  4. Zitiert nach Suther, S. 220.